Vom Ort zur Stadt – dieser Wandel vollzieht sich in der Stauferzeit im 12. und 13. Jahrhundert. Die Stadt löst sich – ausgehend von Privilegierungen der staufischen Könige Konrad III., Friedrich I. (Barbarossa) und Friedrich II. – aus der herrschaftlichen Umklammerung des Königtums und seiner Verwaltung vor Ort, an ihrer Spitze die Grafen von Dortmund.
Im großen Privileg Friedrichs II. aus dem Jahre 1236, das alle Reichsprivilegien seiner Vorgänger bestätigt, die im Brand vernichtet worden waren, erkannte der König die Dortmunder Bürgergemeinde als rechtsfähige Genossenschaft an. Friedrich II. richtete sich mit diesem Privileg an die „universitas civium Tremoniensium”, an die Gemeinde der Bürgerschaft von Dortmund, um folgende Rechte zu bestätigen: Dortmunder haben ihren Gerichtsstand ausschließlich in Dortmund, Dortmunder genießen im gesamten Reich Zollfreiheit und dürfen nicht zum Duell aus unrechtem Grunde gefordert werden. Mag dies aus heutiger Sicht zwar in den inhaltlichen Bestimmungen karg erscheinen, so ist es auf der anderen Seite für die mittelalterliche Gesellschaft etwas völlig Neues, denn der König setzt damit die Gemeinschaft der Dortmunder Bürgerschaft als Reichsstadt vom Umland ab.
Hatten bisher wirtschaftliche und machtpolitische Interessen der Herrschenden im Vordergrund gestanden, zeigte sich die zunehmende Bedeutung und Emanzipation der Bürgergemeinde auch daran, dass die Könige nach den Zerstörungen eines großen Stadtbrandes im Jahre 1232 ihre Burg nicht mehr neu errichteten. Deutlich wird der Wandel ebenfalls im Stadtbild: Um 1200 wurde die Stadt durch königliche Landschenkung für das Katharinenkloster auf den Umfang erweitert, der bis heute im Wallring um die City gut zu erkennen ist. Innerstädtische Flächen wurden neu aufgesiedelt oder maßgeblich umgeplant, wie beispielsweise das Areal der späteren Petrikirche, neu hinzugewonnene Flächenanteile integriert und zuletzt mit der Niederlassung weiterer Bettelorden auch das sakrale Gefüge im Verlauf des 13. Jahrhundert maßgeblich verändert.
Bedeutungszuwachs und Eigenverantwortung drückten sich ebenfalls in der Ausführung des Befestigungsringes aus: Die bekannte, mächtige Bruchsteinmauer mit Graben, Wehrtürmen und befestigten Toren reichte offensichtlich als Schutz nicht aus, denn zusätzlich wurden an besonders wichtigen Abschnitten jeweils zwei Wall-Grabenanlagen vorgeschaltet.
Sichtbares Zeichen der städtischen Autonomie Dortmunds ist das sogenannte Turmsiegel, das große Siegel der Stadt. Die Bildung der Bürgergemeinde wurde damit im Rechtsleben des Mittelalters anerkannt, denn die Stadt stellte mit diesem Siegel wichtige Verträge und Urkunden aus; damit erkannten Vertragspartner die Stadt grundsätzlich an. Dieses Siegel, erstmals 1241 überliefert, reicht aber mit Sicherheit in das 12. Jahrhundert zurück.
Die Bemühungen der Stadt um Selbstverwaltung und politische Autonomie stießen vor allem bei den Grafen von Dortmund, den ranghöchsten Vertretern des Königtums für die Verwaltung der Reichsgutes in der Region, auf mächtigen Widerstand. Die Dortmunder Grafen, eine Familie aus dem Kreis der Reichsministerialität, nahmen für den König zahlreiche Rechte in Dortmund wahr, etwa für Markt, Münze oder auch das Braurecht. Auseinandersetzungen zwischen Graf und Stadt waren dadurch vorprogrammiert. Wir erkennen dies in den urkundlich erhaltenen Verträgen, der erste stammt von 1241: Der Graf verkaufte sein Haus am Markt, das in der Folge schon bald als Haus der Bürger zum Rathaus werden sollte. In den folgenden Jahren kaufte die Bürgerschaft Zug um Zug die Rechte der Grafen von Dortmund auf, bis sie im Jahr 1504 schließlich alle Rechte als Reichslehen erwerben konnte.
In einem Vertrag von 1241 wird erstmals ein Ratsgremium genannt – die 18 namentlich genannten „Consules” besiegeln die Urkunde für die Stadt. Die Stadt Dortmund konnte also mit den Grafen von Dortmund gleichberechtigt Verträge schließen. Erstmals in der Geschichte der Stadt wurde ein Gremium für die Vertretung der Interessen der Bürgergemeinde tätig.
Heftig umstritten war in den folgenden Jahrhunderten, wer im Stadtrat sitzen sollte. Waren dies zunächst die Fernkaufleute, zusammengeschlossen in der Reinoldigilde, so versuchten die Handwerker-Bürger über ihre Zünfte eine Mitbestimmung des Rates und in der Folge eine Partizipation am Ratsregiment zu erreichen.
Am Dortmunder Beispiel lässt sich gut nachvollziehen, dass die Stadt des deutschen Mittelalters auf einer modern anmutenden wesentlichen Neuerung beruhte: Wollte Dortmund in der von den Territorialherren Grafen von der Mark und Erzbischöfe von Köln feindlich geprägten Umgebung überleben, musste die Stadtgemeinde ihre Konflikte durch Kompromisse im Konsens beenden. Immer wieder hat die Dortmunder Bürgergemeinde dies geschafft und war sich dessen bewusst. 1260 erreichten die Zünfte so eine Mitwirkung an der Ratswahl; nach einem Aufstand gegen den Rat wegen Misswirtschaft erhielten sie schließlich im Jahre 1400 die ersten Ratssitze.