05.05.2022 | 19:00 Uhr | Stadtarchiv Dortmund | Prof. Dr. Martin Aust
Nach der Auflösung der Sowjetunion 1991 sah sich Russland mit einem doppelten imperialen Erbe konfrontiert: dem des Zarenreiches, das 1917 untergegangen war, und jenem der Sowjetunion. In der Politik, den Medien und den Wissenschaften Russlands gab es unterschiedliche Stimmen, wie mit diesem Erbe umgegangen werden könnte. Einige empfanden es als eine Last, andere als Chance und wieder andere träumten von der Wiederherstellung des Imperiums. Lange Zeit blieb im ungefähren, welche strategischen Interessen Russland mit den Regionalkonflikten in Transnistrien, Abchasien und Ossetien verfolgen würde. Nach Russlands Annexion der Krim und seinem unerklärten Krieg im Donbass 2014 gibt der Überfall Russlands auf die Ukraine seit dem 24. Februar 2022 nun eine eindeutige Antwort auf die Frage nach dem Umgang mit dem imperialen Erbe: Putin strebt eine Wiederherstellung des Imperiums an. Die Ukraine verteidigt ihre nationale Unabhängigkeit gegen das einstmalige imperiale Zentrum Moskau. Der Vortrag ordnet den russisch-ukrainischen Krieg und die zurückliegenden drei Jahrzehnte russischer Suche nach dem Umgang mit dem imperialen Erbe in den größeren historischen Kontext von Imperien, Postimperialität und Dekolonisation ein.
Martin Aust ist Professor für osteuropäische Geschichte und Kultur an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.